Gibt es moderne Schamanen? Die Antwort lautet ganz klar: Ja!
Was ist ein moderner Schamane?
Das ist eine Frage die sich nicht so leicht beantworten lässt. Ich schreibe hier einmal, was ich darunter verstehe.
Zum einen verstehe ich darunter Menschen, die in einer Gesellschaft leben in der es keinen überlieferten, traditionellen Schamanismus (mehr) gibt und sich dennoch zum Schamanen berufen fühlen und dieses auch praktizieren und zum anderen verstehe ich darunter traditionelle Schamanen, die es geschafft haben ihre Tradition an die moderne Welt anzupassen.
Mein Hauptaugenmerk liegt jetzt aber bei den Erstgenannten.
Es gibt in der westlichen Welt viele Menschen, die bereits in ihrer Kindheit ungewöhnliche Dinge erleben, paranormale Fähigkeiten (z.B. verschiednen Formen der Hellsichtigkeit, luzide Träume, starke Medialität) haben und oft einen starken Bezug zur Natur haben. Viele verspüren eine unbestimmte Sehnsucht nach etwas, das sie nicht benennen können. In der Kindheit gehen die Menschen damit noch recht offen um. Sie reden mit geistigen Wesenheiten wie Schutzengeln, Glücksbringern, unsichtbaren Freunden, oder mit Bäumen und Pflanzen und empfinden dies als normal. Mit anderen Menschen kommen sie oft nicht so gut zurecht, sind aber nicht zwangsweise Außenseiter. Im laufe des Erwachsenwerdens greift aber unsere, auf den Verstand basierende, Erziehung und diese Dinge geraten meist in Vergessenheit.
Im laufe ihres Lebens stoßen die Leute dann aber meistens wieder auf Themen, die sie an ihre Kindheit und damit an ihre Fähigkeiten erinnern. Manchmal reicht ein Buch aus, manchmal eine zufällige Bekanntschaft, oder ein Film und zunehmend auch das Internet um eine neue Entwicklung bei diesen Menschen in Gang zu setzten. Es gibt aber auch Fälle, bei denen die geistige Welt schwerere Geschütze auffahren muss um diese Menschen auf ihren Weg zu bringen. Dadurch kann es zu schweren Schicksalsschlägen, Krankheiten und Nahtoderlebnissen kommen. Wer es dann immer noch nicht schafft endet so manches Mal in der Psychiatrie, als Drogenabhängiger auf der Straße oder im Gefängnis. Oder noch schlimmer: Als stinknormaler Mensch in einem stinklangweiligen, angepassten "Muggelleben*". Für schamanisch berufene Menschen ist das die Höchststrafe.
*Muggel: Ein Begriff aus der Harry Potter Reihe von Joanne K. Rowling
Steht für alle nicht magisch veranlagte Menschen. Dieses Wort wird in schamanisch- magischen Kreisen mit einem Augenzwinkern und dennoch ernst gemeint, gerne verwendet.
Wenn die Entwicklung erst einmal angefangen hat, beginnt meist eine Zeit der Herumirrens und Ausprobierens. Da werden Bücher gelesen, Seminare besucht, viele treten irgendwelchen Gruppierungen bei (magische Orden, religiöse Gruppen aller Art, Yogagruppen und Co., betreiben Kampfsport, engagieren sich in Naturschutzgruppen, etc) um sich auszuprobieren und zu finden wonach sie Sehnsucht verspüren. Manche bleiben hängen und geben die Suche auf, andere bekommen den entscheidenden Hinweis, den sie suchten.
Wenn sie dann auf das Thema Schamanismus stoßen und die ersten Bücher lesen und vielleicht auch ein Seminar besuchen, ist das ein riesiges Aha- Erlebnis. Endlich scheinen die Dinge einen Sinn zu ergeben. Ab jetzt beginnt der schamanische Weg in der heutigen westlichen Welt.
Doch wie sieht dieser heute aus?
Traditionelle einheimische Schamanen gibt es nicht. Wer soll einen unterrichten?
Das ist ein großes Problem, für das es keine einheitliche Lösung gibt. Der heutige schamanische Weg ist immer ein individueller Weg. Als beste Lehrmeister haben sich die eigenen Geister herausgestellt. Es ist also notwendig zunächst das schamanische Reisen zu erlernen um dann in der Anderswelt seine Krafttiere, Ahnen und geistige Lehrer zu treffen. Sie lehren einem was man wissen muss. Entweder durch direkte Unterweisungen während einer schamanischen Reise, oder durch "Zufälle" im Leben, durch Träume und spontane, vermeidlich eigene, Ideen, die einen weiterbringen. Der eine oder andere sucht traditionelle Schamanen aus anderen Ländern auf um sich von ihnen unterrichten zu lassen. In einigen Fällen erfolgt auch eine offizielle Anerkennung und Einweihung durch diese Schamanen. Doch das ist eher die Ausnahme. Viele der traditionellen Schamanen, die westliche Menschen unterweisen, fordern von diesen, dass sie ihren eigenen Schamanismus wieder zum Leben erwecken sollen. Sie wollen auf keinen Fall, dass ihre Rituale, Tänze, Gesänge und alles andere von uns kopiert werden. Wir sollen uns lediglich inspirieren lassen.
Wer diesen Weg geht und anfängt regelmäßig zu schamanisieren wird bald Fortschritte machen und mit zunehmend mit schwereren Aufgaben konfrontiert werden. Zunächst gilt es an sich selber zu arbeiten. Das kann im Einzelfall schon einige Jahre dauern. Im laufe der Zeit zeigt sich dann für welchen Teilbereich der schamanischen Arbeit man am besten geeignet ist. Es gibt schamanisch praktizierende, die eher künstlerisch aktiv sind, andere geben Seminare, leiten Trommelgruppen, schreiben Bücher, andere sind Heiler, wieder andere arbeiten eher psychologisch usw. Einige wenige machen alles. Nicht alle bieten ihre Fähigkeiten außerhalb ihres Familien- und Freundeskreises an.
Moderne Schamanen sind keine weltfremden Menschen, die irgendwo abgeschieden im Wald oder in den Bergen leben (gibt es allerdings auch), sondern nach außen hin scheinbar halbwegs normale Menschen. Für gewöhnlich gehen sie einem weltlichen Beruf nach und viele haben auch Familie. Nur wenige versuchen von Schamanismus zu leben. Wenn ja, sind sie häufig Heilpraktiker oder Geistheiler und bieten die schamanische Behandlung zusätzlich an.
Als moderner Schamane passt man sich der Zeit an. So haben viele eine Internetseite, oder sind in Foren oder sogar in sozialen Netzwerken wie z.B. Facebook zu finden.
Der von ihnen praktizierte Schamanismus enthält eine Mischung aus vielen verschiedenen Techniken aus der ganzen Welt. Viele vermischen dieses und formen daraus etwas Neues: Ihren eigenen Schamanismus.
Einige kopieren allerdings blind andere Systeme und haben auch keine Hemmungen alles als echt zu verkaufen und auch deren Titel (z.B. Curandero/a) zu verwenden. Ich persönlich lehne so etwas kategorisch ab!
Unter welcher Bezeichnung praktizieren moderne Schamanen?
Da kommen wir zu einem ganz komplizierten Thema. Wenige der wirklich schamanisch berufenen Menschen nennen sich offen Schamane/ Schamanin. Das hat verschiedene Gründe. Eine große Rolle spielt der fehlende traditionelle Überlieferung/ Ausbildung und "Ernennung". Ein weiterer Grund ist die Tatsache, dass es das Wort Schamane hier ursprünglich gar nicht gab. Abgesehen davon arbeitet der moderne Schamane häufig nicht so wie es der Begriff Schamane erwarten lässt. Die wenigsten haben ein komplettes Schamanengewand und wenn doch tragen sie es nur zu besonderen Anlässen. Man würde also nach außen hin nicht dem Bild entsprechen, das viele Menschen im Kopf haben.
Ein ganz anderer Aspekt ist die aktuelle Flut von (vermeidlichen?) Schamanen im Internet, auf Messen und Seminaren. Alle möglichen Leute, die schon im esoterischen Bereich tätig sind entdecken "plötzlich" ihre schamanischen Wurzeln. Sie besuchen ein zwei teure Seminare und meinen dann sie wären Schamanen. Merkwürdigerweise verkauft sich das sehr gut. Ob es da einen Zusammenhang gibt?
Ich sehe das jedenfalls äußerst skeptisch. Man lernt in den Seminaren sicher das schamanische Reisen und andere Grundtechniken der schamanischen Arbeit. Doch reicht das?
Als eine Ergänzung zu anderen geistigen Heilweisen reicht das sicher. Doch kann man sich deswegen Schamane nennen? Ich denke nicht.
Unter welchen Bezeichnungen findet man sie also? Hier ein paar, die ich so kenne: Neoschamane, Stadtschamane, Zaunreiter, Bannsänger, Kondortänzer, Weltenwandler, Weltenwanderer, Stabträger. Und sicher gibt es noch viele, viele andere Bezeichnungen. Am geläufigsten und von fast allen verwendet ist der Bergriff "Schamanisch Praktizierender". Das ist neutral und trifft es recht genau.
Was machen moderne Schamanen?
Es gibt sehr viele Dinge, die heutzutage von modernen Schamanen gemacht werden. Ich werde nicht alle aufzählen können, da dies immer sehr individuell ist. Es richtet sich sehr nach den Vorlieben und vor allem Fähigkeiten der Person und ihren Geistern.
Als Kernaufgaben sehe ich persönlich aber: Das durchführen schamanischer Heilbehandlungen, Extraktionen, Psychopompos (begleiten von frisch verstorbenen Seelen), schamanische Beratung inklusive Divination (Wahrsagen), Reinigungen und Segnungen von Räumen, Plätzen und Gegenständen, Durchführung verschiedenster schamanischer Rituale, lehren der schamanischen Reisetechnik, anfertigen von Kraft- und Schutzgegenständen.
Darüber hinaus bieten viele Seminare an, schreiben Bücher, sind künstlerisch aktiv, machen Musik mit schamanischem Bezug und noch vieles, vieles mehr.